Am Mittwoch, dem 1. März 2023, fand die Vertreterversammlung der Osnabrücker Herdbuch eG bei Niemann in Leckermühle statt. Erstmals leitete Ulrich Westrup als im Vorjahr neu gewählter Aufsichtsratsvorsitzender die Versammlung. In seinem Bericht ging er auf die vielen teils positiven aber auch negativen und schwierigen Einflüsse im letzten Geschäftsjahr ein. Als erfreulich ist die Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen und damit attraktiven und erfolgreichen Auktionsverläufen, wieder durchgeführten Tierschauen im Sommer und die kürzlich sehr gut besuchten Schwarzbunt-Tage mit toller Stimmung in der Halle Gartlage anzuführen. Belastend und herausfordernd waren dagegen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und dadurch bedingte enorme Kostensteigerungen bis hin zu deutlichen Auswirkungen im Bereich der Bewertung von Geldanlagen und Wertpapieren.

Vorab erläuterte Geschäftsführer Hans-Willi Warder in seinem Lagebericht die wesentlichen Ergebnisse des Geschäftsjahres 2021/2022 und informierte über die aktuellen Trends im ersten Drittel des laufenden Geschäftsjahres:

  • Entgegen dem bundesweiten Trends konnten die Osnabrücker Herdbuch Kühe erneut die Durchschnittsleistung um gut 200 kg Milch und damit um 3 kg Eiweiß steigern; noch erfreulicher ist der kontinuierliche Trend beim Herdenverbleib und Alter der Kühe: über die letzten 10 Jahre um + 7.000 kg LL der Abgangskühe bzw. + 5 Monate Nutzungsdauer.
  • In der Tiervermarktung legten insbesondere die Auktionserlöse und Durchschnittspreise deutlich zu und sorgten über alle Vermarktungswege hinweg für einen Umsatzanstieg um 14,4 %; im ersten Drittel des aktuellen Jahres hält dieser Trend weiter an.
  • Im Besamungsbereich gingen die Gesamtbesamungen im Vorjahr um 4 % zurück und auch aktuell ist etwa die gleiche Tendenz zu beobachten; inzwischen nehmen aber die Fleischrassebesamungen nicht weiter zu, wo hingegen Weiblich-Gesextes Sperma an Popularität gewinnt.
  • Die erneute Steigerung beim Umsatz beim Spermaverkauf (+ 11 % auf 1,5 Mio €) – trotz leicht rückläufiger Stückzahlen – war eine wesentliche Grundlage für das Erreichen eines positiven Jahresabschlusses.
  • Beim Embryotransfer konnte mit 352 Spülungen nach wie vor eine hohe Intensivität des Zuchtprogrammes sowie ein guter Anteil Service-Spülungen aufrechterhalten werden.

Bei der Analyse des wirtschaftlichen Ergebnisses konnte trotz teils gegenläufiger Sondereffekte mit +39 T€ ein positiver Jahresabschluss realisiert werden.

Nachfolgend erläuterte Jürgen Halbrügge im Detail die wichtigsten Positionen und Veränderungen in der Bilanz sowie bei der Gewinn- und Verlustrechnung. Allein der Anstieg der laufenden Fuhrparkkosten erklärt nahezu den Rückgang beim ordentlichen Betriebsergebnis.

Seitens des Genossenschaftsverbandes Weser-Ems informierte der Prüfungsdienstleiter, Herr Reinke, über das Prüfungsergebnis und bestätigte uneingeschränkt die zutreffende und korrekte Aufstellung des Jahresabschlusses sowie die des Lageberichtes.

Die anwesenden 37 stimmberechtigten Vertreter stimmten dementsprechend dem Jahresabschluss und der Ergebnisverwendung zu. Auf Antrag von Herrn Grötemeier wurden sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat von allen Anwesenden die Entlastung erteilt.

Bei den anschließenden Wahlen wurden für den Vorstand Herr Leyschulte und für den Aufsichtsrat die Herrn Knollmeyer, Nölker und Teikemeier jeweils einstimmig wiedergewählt.

Abschließend hielt Dr. Stefan Rensing vom vit in Verden einen gewohnt anschaulichen und zugleich vieldiskutierten Vortrag über die Bedeutung von KO-Kriterien beim Einsatz von Besamungsbullen.

KO-Kriterien sollten laut Dr. Rensing (vit) kein Grund für den Ausschluss wertvoller Besamungsbullen sein

Dr. Stefan Rensing, VIT Verden

Dr. Stefan Rensing vom VIT Verden ging auf das Phänomen ein, dass einige Bullen trotz teilweise sehr hohem RZG bzw. RZ€ kaum genutzt werden, weil sie in einzelnen Merkmalen – überwiegend Exterieurmerkmalen – gewisse Schwächen zeigen. Er machte dabei deutlich, dass bei dem Einsatz von Besamungsbullen und insbesondere bei Nutzung von Anpaarungsprogrammen durchaus der gezielte Einsatz solch hoher Gesamtzuchtwertbullen auf passende Tiere sinnvoll ist, wohingegen in Betrieben mit Deckbullen, die dann in der gesamten Herde breit eingesetzt werden, dies problematischer sein kann.

Herr Dr. Rensing erläuterte nachfolgend an Beispielen wie Melkbarkeit, Stärke, Körpertiefe, Beckenneigung, Hinterbeinwinkel oder Strichlänge, dass häufig der Effekt in Einzelmerkmalen bei der Anpaarung überschätzt wird und bei ZW-Angaben dann nur die Hälfte bei den Nachkommen ankommt. Die „Übersetzung in phänotypische Abweichungen“ ist zwar oft nur in Noten auf der 9er Skala der linearen Bewertung möglich und liegt mit um 0,5 Punkte je Merkmal oft geringer als von Praktikern angenommen wird. Zudem setzte er jeweils die Auswirkung von extremen Merkmalsauswirkungen für die genannten Merkmale in Beziehung zur tatsächlichen Nutzungsdauer, wobei entsprechende Untersuchungen ergeben haben, dass oft die tatsächlichen Auswirkungen anders gerichtet sind als angenommen: z.B. besonders deutlich bei Körpertiefe oder Hintebeinwinkel. Somit dürften eigentlich objektiv betrachtet, vielfach die sogenannten KO-Merkmale nicht zu einem Ausschluss wertvoller Besamungsbullen führen.

Nachfolgend nutzt Herr Dr. Rensing die Gelegenheit, auf anstehende Neuerungen bei der April-Zuchtwertschätzung einzugehen. Neben einigen neuen Merkmalen im Exterieurbereich wie Rippenstruktur, Vorderbeinstellung und Euterbalance dürfte für viele Züchter insbesondere die Neu-Einführung eines Persistenz-Zuchtwertes von Interesse sein. Speziell gegen Laktationsende unterscheiden sich die Bullen deutlicher. Dr. Rensing wies aber darauf hin, dass eine Beachtung von hoher Persistenz nur für Betriebe von Relevanz sein dürfte, die auch tatsächlich betrieblich eine verlängerte Laktationsdauer anstreben. Ansonsten könnte eine Fokussierung auf hohe Persistenz zu Laktationsende eher kontraproduktiv sein und mehr Probleme beim Trockenstellen bereiten.

Bei den Wortmeldungen sorgten besonders die überraschend deutlich negative Beziehung zwischen Köpertiefe und Nutzungsdauer sowie die Ergebnisse beim Hinterbeinwinkel für weitere Diskussionen und Erläuterung. Dr. Rensing konnte jedoch anhand seiner umfangreichen Auswertungen diese Trends belegen und erläuterte zudem schlüssig, dass im Unterschied zu den oft geringen Unterschieden bei Merkmalen auf der Exterieurskala durchaus die Streuung bei der Nutzungsdauer mit ca. 260 Tagen pro Standardabweichung beachtlich und damit auch wirtschaftlich bedeutsam sind.