Neben den üblichen Geschäftsberichten und Regularien zum Jahresabschluss war in diesem Jahr zur Vertreterversammlung in der Halle Gartlage Dr. Stefan Borchardt vom Fachbereich Veterinärmedizin der FU Berlin als Referent eingeladen, um über Aktuelles aus dem Bereich Fruchtbarkeit zu berichten. Dr. Borchardt erläuterte, dass nach seiner Beurteilung von den vielen Fruchtbarkeitskennzahlen die „21 Tage Pregnancy Rate“ (Brunstnutzungsrate x Konzeptionserfolg) einer der besten Parameter ist, um den Gesamterfolg in einem Betrieb zu beurteilen. Er sieht hierbei Werte ab 20 % als gut an und präsentierte nachfolgend aber auch einige große Topbetriebe, die sogar leicht oberhalb der 30 % Marke liegen. Um dies zu erreichen, müssen sowohl etwa zwei Drittel aller Brunsten in dieser Zeitspanne genutzt werden und zugleich Konzeptionsergebnisse um 50 % bei den laktierenden Kühen erreicht werden. Anhand umfangreicher Studien zeigte Dr. Borchardt zudem auf, dass die landläufige Meinung eines starken Antagonismus zwischen guter Fruchtbarkeit und Leistung sich in der Praxis de facto anders darstellt: top gemanagte Betriebe mit hohen Leistungen haben durchaus sehr gute Fruchtbarkeitsergebnisse und liegen dementsprechend in den Erfolgskriterien deutlich besser als niedrig leistende Herden.
Gesunde Transitkühe bilden die Grundlage für gute Fruchtbarkeit
Die Grundlage für eine sehr gute Fruchtbarkeit wird dabei schon während des Trockenstellens und vor allem in der Transitperiode gelegt. Auch bei längeren freiwilligen Wartezeiten und damit einer Zeitspanne von beispielsweise 100 Tagen bis zum ersten Belegungsversuch lässt sich eindeutig nachweisen, dass gesunde/problemlose Transitkühe die besten Fruchtbarkeitsergebnisse erzielen. Als die zwei Hauptursachen für verminderte Fruchtbarkeitsleistungen nannte er Ketose und subklinische Hypocalcämie. Zur Überwachung der Ketose empfahl er die systematische Nutzung von Ketonkörper-Schnelltests. Als praktische Fütterungsempfehlung ist bei Ketoseverdacht nach wie vor die orale Verabreichung von 300 ml Propylenglykol über 3 bis 5 Tage die wirkungsvollste Maßnahme. Prophylaktisch hält Herr Dr. Borchardt eine angepasste Energieversorgung in der Trockenstehphase für wichtig. Dies erreicht man durch Beifügen von qualitativ hochwertiges Häckselstroh/Strohmehl in passender Menge. Dies setzt voraus die Trockenmasseaufnahme der Tiere zu kennen. Um das zweite Problemfeld (Hypocalcämie) zu vermeiden, empfahl Dr. Borchardt die Beachtung der Kationen-Anionen-Bilanz (DCAB) bei den Trockenstehern. Zur Überwachung sollte man auch regelmäßig den pH-Wert in diesen Gruppen überprüfen. Zielwert ist dabei ein pH-Wert um 6 und eine möglichst geringe Streuung in der Gruppe.
Sensor-Systeme und gezielte Hormon-Programme können zum gleichen Ergebnis führen
Nachfolgend präsentierte er zwei Beispielbetriebe mit jeweils 2.500 Kühen und hohem Leistungsniveau (11.500 kg bzw. 12.000 kg). In seinem Beispielbetrieb A wird bei allen Kühen mit einem Sensorsystem zur Brunsterkennung gearbeitet und damit bereits bei 70 % aller Kühe nach der vorgegebenen freiwilligen Wartezeit von 60 Tagen im ersten Brunstzyklus besamt. Bei allen weiteren wird dann ein Ovsynch-Programm zur terminorientierten Besamung genutzt. Dabei verwies Dr. Borchardt auf zwei Schlüsselelemente
- eine Woche nach der ersten GnRH-Gabe an zwei aufeinander folgenden Tagen PG
- dann am Folgetag die GnRH-Gabe erst am Spätnachmittag, um zum Besamungstermin am nächsten Morgen den Abstand von 12-16 Stunden einzuhalten.
In diesem Betrieb wurden durchaus mit den terminorientiert besamten Tieren die gleichen Konzeptionsraten erzielt, wie bei den vorher (mittels Aktivitätsmessung) erkannten natürlichen Brunsten.
Sein Beispielbetrieb B nutzte dagegen für alle Besamungen ein Double-Ovsynch-Programm. Dr. Borchardt warnte zwar davor, dass dies anspruchsvoll sei, da bei der Vielzahl der zu verabreichenden Hormone man ganz genau bei jedem Tier das richtige Medikament in korrekter Dosierung verabreichen muss. Wenn aber ein Betrieb dies organisatorisch voll und ganz gewährleisten kann, ist er durchaus mit einem solchen Schema in der Lage, vergleichbar gute Fruchtbarkeitsergebnisse zu erzielen wie der Beispielbetrieb A. In der späteren Diskussion wurde u. a. über die optimale freiwillige Wartezeit und auch die Akzeptanz von solchen Hormonprogrammen diskutiert. Dr. Borchardt räumte ein, dass man dies wohl in Zukunft immer schwieriger vermitteln könnte und daher vermutlich der Königsweg in einer guten Brunstüberwachung durch Sensorsysteme und andererseits dann für Problemkühe die zielgerichtete Anwendung von Ovsynch-Programmen liegen könnte. Er betonte dabei, dass eine erfolgreiche Trächtigkeit einen Mehrwert für die Kuh von 250 € bringt, sodass man durchaus bereit sein sollte, hierfür einen gewissen Input aufzubringen.
Das Phänomen zunehmender Zwillingsträchtigkeiten
Zum Abschluss seines Vortrages ging Dr. Borchert in einem Exkurs noch auf Ursachen und Management von Zwillingsträchtigkeiten ein. Mit steigender Leistung nimmt auch die Stoffwechselaktivität zu und damit geht der vermehrte bzw. beschleunigte Abbau von Progesteron über die Leber einher. Dies führt zu vermehrten Doppelovulationen, wobei besonders unilaterale Zwillingsträchtigkeiten (beide in einem Horn) vermehrt zu Problemen wie erhöhte Abortraten oder Probleme bei Geburten führen. Dr. Borchardt demonstrierte anschaulich die frühzeitigen Erkennungsmöglichkeiten von Zwillingen über Ultraschalluntersuchungen und betonte, dass man auch solche potentiellen Problemtiere etwas früher trocken stellen (7 Tage) und prophylaktisch durch Eingabe eines Kexxtone-Bolus 3 Wochen vor der Kalbung bzw. Propylenglykol in den ersten 5 Tagen danach unterstützen kann. Die einzige Möglichkeit zur Vermeidung von Doppelovulationen ist die Verabreichung von Progesteron während der Follikelreifung zu einer geplanten Besamung.
Im Rahmen der nachfolgenden lebhaften Diskussion bot Dr. Borchardt auch an, dass man ihm eine Mail schicken könnte (stefan.borchardt@fu-berlin.de) um dann auch von ihm die entsprechenden Vortragsunterlagen von der Veranstaltung zu erhalten.